Türkischer Premier auf Deutschland-Besuch:Erdoğan fordert von Berlin Hilfe bei EU-Beitrittsprozess

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Markante Stellungnahmen vor dem Treffen mit der Bundesregierung: Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan beim Verlassen der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. (Foto: dpa)

Schwächelnde Wirtschaft, EU-Beitritt, Machtkampf mit der Justiz: Markant äußert sich der türkische Premier Erdoğan in Berlin zu kontroversen Themen und fordert von Deutschland Hilfe beim EU-Beitritt. Die Kanzlerin reagiert zurückhaltend und spricht von einem "ergebnisoffenen Prozess".

Die Europäische Union ist nach Ansicht des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan auf sein Land angewiesen. Nicht nur die Türkei brauche die EU, sondern auch die EU brauche die Türkei, sagte Erdoğan am Dienstag bei einem Vortrag vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin.

Die Bundesregierung rief er auf, sein Land auf dem Weg in die EU zu unterstützen. "Wir wünschen uns, dass sich Deutschland noch stärker einsetzt als bisher." Es sei auch Aufgabe der Türkei, die angestoßenen Reformen fortzusetzen. Er erwarte aber ebenso von den "Freunden" in Deutschland, dass sie sich in dem Prozess für die Türkei starkmachten, sagte der Premier.

Auf wirtschaftliche Probleme und die Abwertung der türkischen Lira angesprochen verwies Erdoğan darauf, dass die wirtschaftliche Dynamik des Landes mit fast 77 Millionen Einwohnern ungebrochen sei. Die Türkei habe auch im vierten Quartal 2013 ein Wirtschaftswachstum von 3,8 Prozent gehabt. Damit gehöre sie weiter zu den am stärksten wachsenden Ländern in der Welt.

Merkel zurückhaltend

Kanzlerin Angela Merkel äußerte sich auf die Forderung Ankaras hin nach mehr Unterstützung gewohnt zurückhaltend. Sie sehe die Beitrittsverhandlungen als einen "ergebnisoffenen Prozess", sagte Merkel nach dem Treffen mit dem türkischen Ministerpräsidenten. Der Prozess sei noch nicht abgeschlossen. Gleichzeitig betonte sie, sie stehe einer EU-Vollmitgliedschaft nach wie vor "skeptisch" gegenüber.

Die CDU-Vorsitzende Merkel lehnt einen EU-Beitritt ab, will aber die 1999 begonnenen Beitrittsverhandlungen fortsetzen. Die SPD kritisiert das Unions-Konzept einer "privilegierten Partnerschaft" für die Türkei als Alternative zu einem Beitritt.

Das Land ist seit 1999 EU-Beitrittskandidat. Die Verhandlungen laufen seit 2005, kommen aber nur schleppend voran. Zuletzt hatte das Vorgehen der türkischen Regierung gegen Polizei und Justiz Kritik der EU hervorgerufen. Hunderte Polizisten und Staatsanwälte, die wegen Korruptionsvorwürfen gegen regierungsnahe Kreise ermittelt hatten, waren zwangsversetzt worden. Erdoğan verteidigte das Vorgehen als Schutz vor einem Angriff auf die politische Stabilität seines Landes.

© SZ.de/dpa/Reuters/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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